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Angst im Krieg

Mein Vater gehörte zu den Männern, die bereitwillig über ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg berichteten. In Kenntnis des millionenfachen Todes fragte ich ihn einmal, wie es mit der Angst im Krieg bestellt war.

Die Vorstellung, im Krieg würde permanent getötet und gestorben, sei nicht richtig. Die meiste Zeit warten die Soldaten auf einen Einsatz. Mein Vater berichtete, dass er niemals in seinem Leben so viel Freizeit gehabt habe wie im Krieg. Seine kunstvollen Schnitzereien sind alle in diesen monatelangen Wartezeiten entstanden. Wenn es dann zu Kampfhandlungen komme, ginge alles sehr schnell. Das Ausmaß der Grausamkeit übersteigt dann aber alles vorstellbare.

Er persönlich wurde immer für sehr mutig gehalten, weil er sehr beherrscht war. In Wirklichkeit habe er aber immer schreckliche Angst gehabt. Sein Ruf der Furchtlosigkeit führte aber dazu, dass man ihn als Arzt zu Unternehmungen mitnahm, für die er eigentlich gar nicht vorgesehen war. So sei er, nur um die Angst der Flieger zu beruhigen, in der durchsichtigen Beobachterwanne eines Sturzkampfflugzeuges mit geflogen. Die Flugzeuge stürzten sich aus der Sonne kommend auf ihr Ziel. Die Flieger sahen die ankommenden Abwehrgeschosse rechts und links an sich vorbeifliegen und es war reines Glück, nicht getroffen zu werden. Am tiefsten Punkt wurde eine Automatik ausgelöst, die die Bomben ausklinkte und das Flugzeug automatisch in den Steigflug manövrierte. Die Besatzung verlor durch die enorme Beschleunigung beim Abfangen regelmäßig das Bewusstsein. Keiner wusste, ob er wieder aufwachen würde oder in der Bewusstlosigkeit in den Erdboden gerammt würde.

Ein anderes Mal musste er einen Kosakenangriff begleiten. Da er nicht reiten konnte, gab man ihm ein kleines Pony. Dieses konnte allerdings mit den großen Pferden nicht mithalten, so dass er bald am Ende der Kolonne ritt. Dies war aber besonders gefährlich, da die Kosaken ein feindliches Dorf durchritten, und die Bewohner von hinten auf die letzten Reiter schossen.

In der russischen Steppe war das Leben sehr eintönig. Über hunderte Kilometer in jeder Richtung nur Ebene und Gras gelegentlich unterbrochen durch armselige Dörfer. Viele betäubten die Langeweile mit Alkohol. Durch Kälte und Hunger entstand ein Zustand völliger Gleichgültigkeit. In diesem Zustand gab es enorme Verluste, da die Soldaten den Tod überhaupt nicht mehr fürchteten, sondern sich den Kugeln gleichgültig entgegenstellten.

Im Gegensatz dazu das Leben der Flieger in einem Wiener Hotel. Dort führte man ein angenehmes zivilisiertes Leben mit gutem Essen, geheizten und sauberen Schlafzimmern. Dann wurde geflogen und etwa jeder zehnte kam nicht zurück. Niemand wusste, wann es ihn traf, aber die Runde wurde mit jedem Flug kleiner. Diese Form der Kriegführung war für die Flugbesatzungen sehr schwer zu ertragen. Vor jedem Flug hatten sie große Angst.

Impressum                         Zuletzt geändert am 14.11.2014 23:38