zurück

Das deutsche Nationalgefühl nach dem 2. Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg mussten die Deutschen erleben, wie ihr Nationalgefühl ausgenutzt wurde, um die Großmachtbestrebungen der Nationalsozialisten zu bedienen. Im Namen des Volkes wurden Verbrechen an unzähligen Menschen - Deutschen und Ausländern - begangen. Am Ende brach alles zusammen und die Deutschen erlebten eine Demütigung wie nie zuvor. Sie reagierten damit, die Vergangenheit zu verschweigen und mit aller Kraft den Aufbau zu betreiben. In den Familien wurde über die Ereignisse im Zweiten Weltkrieg wenig gesprochen. Was blieb, war eine gewisse Scham, überhaupt Deutscher zu sein. Das bedeutete nämlich, Verantwortung zu tragen für das, was im Zweiten Weltkrieg geschehen war. Es machte sich in den fünfziger und sechziger Jahren ein Verleugnungsverhalten breit, sich zur deutschen Nation überhaupt zu bekennen. Dahinter steckte die Vorstellung, Deutschland einfach in einem geeinten Europa aufgehen zu lassen und damit die peinliche Vergangenheit zu tilgen. Die nachwachsende Generation, zu der ich auch gehöre, hat diesen Bruch zunächst gar nicht bemerkt. In den sechziger Jahren wurde unserer Generation langsam klar, was damals alles passiert war und was man uns weit gehend verschwiegen hatte. Dies führte zu einem Generationenbruch, den keine andere europäische Nationen in diesem Ausmaß erlebt hat. Die geliebten Eltern waren plötzlich die Verbrecher von gestern. Zumindestens wusste man nicht, welche Rolle sie in dieser Zeit gespielt hatten. Es wurde ja alles verschwiegen. Dieser Generationenbruch führte letztlich auch zu der kraftvollen Studentenrevolte, die Ende der 60er-Jahre begannen und fast 20 Jahre andauert. Man wollte zunächst in den Universitäten aufräumen und all das beseitigen, was in der Vergangenheit zu diesem katastrophalen Verhalten geführt hatte. Tradition wurde zu einem Schimpfwort, es bedeutete, Dinge weiter zu tragen, die längst als Irrtum erkannt war. Dieses Bewusstsein, alles besser zu können, war ein verhängnisvoller Irrtum. Die korrekte Aufarbeitung der Vergangenheit wurde dadurch nicht erleichtert. Es kam zu einer Verhärtung der Fronten. Die ältere Generation reagierte mit Abschottung und Schweigen.

Dieser Generationenbruch führte dazu, dass man die folgenden Generationen von der Elterngeneration abschirmen wollte. Viele hatten Angst, ihre Kinder auch nur zeitweise den Großeltern zu überlassen aus Angst, das Böse würde irgendwie auf sie übergehen. Auch andere Nationen Europas hatten ähnliche katastrophale militärische Niederlagen erlebt wie die Deutschen. Die größte Niederlage hatte Frankreich unter Napoleon. Dennoch haben die Franzosen nie aufgehört, sich zu ihrer Nation zu bekennen. Der Generationenbruch der Deutschen war längere Zeit ein Hinderungsgrund, die Geschichte erfolgreich aufzuarbeiten. Der Folgegeneration fehlte das Verständnis, für das Leiden und die Leistungen der Deutschen im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Es waren halt die Verbrecher, sie hatten es nicht besser verdient. Dass ein 18 jähriger Bauernsohn, der als Soldat eingezogenen an der Ostfront fiel, genauso zu den Opfern zählte, wie die angegriffenen Nationen, wurde völlig verdrängt. Erst 50 Jahre später konnte Günter Grass in seinem "Krebsgang" darstellen, wie auch Deutsche unschuldig Opfer wurden.

in den sechziger Jahren entwickelte sich in Deutschland eine rechtsradikale Bewegung. Diese zeichnete sich vor allem dadurch aus, das Vergangene zu leugnen. Das war aber natürlich auch keine Lösung. Auch die Idee der deutschen Intellektuellen, die deutsche Nation einfach in eine europäische Nation einfließen zu lassen, muss nach 60 Jahren als gescheitert angesehen werden. Nicht weil es von deutscher Seite nicht geklappt hätte, sondern weil die Nationalgefühle der anderen europäischen Nationen so stark sind. Kein Franzose, kein Engländer, kein Italiener würde für ein geeintes Europa seine Nation aufgeben. Diese Völker haben eben nicht die tiefe materielle und moralischeTraumatisierung des Zweiten Weltkriegs mitgemacht. Nach 60 Jahren Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges ist eine gewisse Normalisierung eingetreten. Die jetzt lebenden Menschen sind alle nicht mehr persönlich am Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg beteiligt gewesen. Auch macht sich eine gewisse Ermüdung bei der ständigen Selbstbeschimpfung der Deutschen breit. Eine richtige Lösung für die Zukunft haben wir noch nicht. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mussten wir ein Aufleben von Nationalbewegungen kleinster Ethnien beobachten. Auch diese kleinen Völker versuchen mit aller Macht, ihre nationale Identität zu erhalten, obwohl die Zersplitterung Europas in viele kleine Völker und Staaten wirtschaftlich und politisch ein enormer Nachteil ist. Erst eine Bedrohung von außen könnte bewirken, dass die kleinen Nationen zu einem großen Europa zusammenfinden. Ein Empfinden für eine europäische Nation gibt es allenfalls beim Aufenthalt in Entwicklungsländern. Ersterer dort wird Europäern klar, dass sie über gemeinsame Werte verfügen.

Impressum .....................................................................................Zuletzt geändert am 18.03.2011 15:19