zurück

Eine Lanze für Englisch

Es ist Mode geworden, sich über die Unkultur der englischen Sprache zu beklagen. Die Sprache sei primitiv und vulgär - völlig unverständlich, wie so eine Sprache unangefochten zur Weltsprache werden konnte. Eine wichtige Ursache ist sicher, dass Englisch die Sprache der USA ist und diese Großmacht seit mehreren Jahrzehnten diesen Globus dominiert. Häufig wird darauf hingewiesen, dass es nur an einer Stimme gefehlt hat, sonst wäre Deutsch die Sprache der USA und später Weltsprache geworden.

Eigentlich könnten wir ganz zufrieden mit dem Englischen sein. Englisch ist nicht zufällig zur Weltsprache geworden. Eine Besonderheit besteht darin, dass man bereits mit 200 englischen Worten eine einfache Konversation führen kann. Für eine Weltsprache ist es wichtig, einen niedrigen Eingangslevel zu haben. Damit scheiden Sprachen wie Russisch oder Chinesisch und leider auch Deutsch aus. Diese Sprachen benötigten erhebliche Grundkenntnisse, bevor man den ersten Satz richtig formulieren kann. Beim Englischen ist dieses bereits nach 1 bis 2 h möglich. Das zweite Kriterium zur Eignung als Weltsprache ist die Mächtigkeit, der Sprachumfang. Primitivsprachen mit einem geringen Eingangslevel sind nicht in der Lage, komplizierte Zusammenhänge und feine Abstufungen auszudrücken. Auch fehlen einfachen Sprachen ausreichende logische Strukturen, um Sachverhalte korrekt formulieren zu können. Das Englische erfüllt auch diese Forderung. Auch nach 20 Jahren kultivierten Sprechens hat man noch nicht alle Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache erfasst. Die Flut von wissenschaftlichen Abhandlungen zeigt, dass es sich zur Formulierung schwieriger Zusammenhänge eignet.

Eine weitere Besonderheit der englischen Sprache besteht in dem hohen Anteil romanischer Stämme. Dieses ist dadurch begründet, dass der Süden Englands vor 2000 Jahren lange Zeit römische Provinz war. Dadurch hat das englische mehr romanischer Stämme aufgenommen als die übrigen germanischen Sprachen. Auch das Deutsche hat trotz seiner Nähe zum römischen Reich weniger romanischer Stämme als das Englische. Die Aufnahme romanischer Stämme in eine germanische Sprache bedeutet aber nichts weiter als die Vereinigung zweier großer Kulturblöcke: der romanischen und der germanischen Kulturwelt. In beiden Kulturen gibt es unzählige Dichter und Denker, die zur Sprachformung beigetragen haben.

Uns Deutschen kann es eigentlich ganz recht sein, dass mit dem Englischen eine Sprache zur Weltsprache geworden ist, die dem Deutschen sehr ähnlich ist. Immerhin stammen die Angeln aus Schleswig-Holstein und die Sachsen aus Mitteldeutschland. Es hätte uns viel schlimmer treffen können, wenn eine Sprache mit völlig anderer Struktur zu Weltsprache erhoben worden wäre. Hätten die Hunnen im Mittelalter ihrer Eroberungen halten können, so wäre jetzt Mongolisch Weltsprache. Hätte der sowjetische Kommunismus die Weltherrschaft erzielt (in der 60er Jahren ein realistisches Szenario), so wäre jetzt Russisch Weltsprache.

Die Akzeptanz von Englisch als Weltsprache bedeutet allerdings nicht, dass wir unsere eigene deutsche Sprache abstreifen müssen. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat interessanterweise gezeigt, dass eine Reihe von jüdischen Intellektuellen, die Deutschland auf der Flucht vor den Nazis verlassen hatten, der deutschen Sprache wegen zurückgekehrt sind. Sie hatten das Gefühl, insbesondere philosophische Überlegungen im Deutschen besser formulieren zu können. Das sollte uns Mut machen unsere Sprache zu erhalten, ohne deswegen das Englische zu verachten.


Impressum .....................................................................................Zuletzt geändert am 01.04.2012 21:52