Geschichten von der Hallig
In der Meme der Familie Bahnsen gibt es Erzählungen von dem Leben
auf der Hallig vor über hundert Jahren. Der Vorfahr war Pastor in der 2.
Generation. Er soll sich mit dem Bischof von Schleswig zerstritten haben. Es
ging irgendwie um die Interpretation des heiligen Abendmahls. Jedenfalls hat der
wütende Bischof den Urahn Bahnsen zur Strafe auf die Hallig Oland versetzt. Dort
war er der einzige Mensch mit Bildung und mußte nicht nur die Predigt halten,
sondern auch die Verstorbenen beerdigen, einer kreißenden Frau bei der
Entbindung helfen oder eine kranke Kuh kurieren.
Im Sommer hatten er und seine Familie ein abwechslungsreiches Leben mit viel
Natur. Im Herbst aber kamen Dunkelheit und Stürme. Die kleine Hallig war nicht
eingedeicht. Die Häuser standen auf Warften, kleinen Erdhügeln, die aus dem
flachen Marschland aufgeschichtet waren. Im Sommer ermöglichte die Höhe eine
weite Sicht bis zum Horizont. Bei Sturmflut schützen sie Menschen und Vieh vor
dem ansteigenden Wasser. Es wird erzählt, dass die Urahnin bei Sturm nachts im
Bett die Hand zum Fußboden ausstreckte, um zu fühlen, ob das Wasser schon im
Haus war. Wenn sie Meerwasser fühlte, so packte sie die Kinder und ging ins
Obergeschoss, um dort den Morgen und die Ebbe abzuwarten. Es soll auch
vorgekommen sein, das der Sarg eines Verstorbenen durch den Hohlraum Auftrieb
entwickelt hat und zur Wasseroberfläche gestiegen ist. Durch den Sturm
gepeitscht soll der Sarg gegen die Eingangstür eines Hauses gekracht sein, die
aufsprang, sodass der Sarg mit der Leiche ins Haus geschwommen ist.
Auch wird erzählt, dass der Pastor eines Tages mit einen Ruderboot gefahren ist.
Bei plötzlich aufkommendem Nebel hat er die Orientierung verloren und
verschwand. Er wurde von der Familie schon für tot gehalten, da kam er von
Hamburg angereist. Ein Handelsschiff hatte ihn zufällig aufgefischt und mit nach
Hamburg genommen.
Was davon wahr und was phantasievolle Fiktion ist, bleibt im Dunkel der
Vergangenheit. Ein Bild des Halligpastors fand sich im Nachlass der Familie:
Nun lebe ich schon 15 Jahre in Tangermünde an der Elbe und habe zwei
"Jahrhunderfluten" erlebt. Die Szenerie war aber völlig anders. Meine
Vorstellung von einer verheerenden Flut verbindet sich mit Dunkelheit und
eisigem Sturm oder Orkan aus Nordwest, beim Aufklaren mit einem Vollmond, der
die Finsternis durchbricht. Die Elbefluten aber waren im Hochsommer. Bei Sonne
und warmer Luft stieg das Wasser und stieg und stieg bis schließlich Deiche
brachen und hunderte Wohnhäuser überflutete.
Impressum Zuletzt geändert am 05.09.2015 6:55