zurück Home

Meine Vater und die NSDAP

Als Heranwachsender begann ich, mich zunehmend für die schrecklichen Ereignisse im Dritten Reich und im Zweiten Weltkrieg zu interessieren. Insbesondere wollte ich wissen, welche Rolle meiner Familie damals gespielt hat. Irgendwann habe ich meinen Vater direkt gefragt, ob er denn Mitglied der NSDAP gewesen sei. Er bejahte dies freimütig. Nun wollte ich natürlich Einzelheiten wissen. Er erzählte, dass er zu dieser Zeit wissenschaftlich in der Kinderklinik der Universität Kiel arbeitete. Irgendwann forderte der Institutsleiter ihn auf, in die NSDAP einzutreten. Die Begründung war etwas seltsam. Der Institutsleiter selber war nicht in der NSDAP und war deshalb verschiedenen Repressalien ausgesetzt. Er sagte zu meinem Vater, wenn seine Mitarbeiter sich ebenfalls der Partei verweigern würden, sei die Arbeit des Institutes gefährdet. Mein Vater war ein unpolitischer Mensch. Er war Leistungssportler gewesen, hatte den Leistungssport jetzt aufgegeben und strebte eine wissenschaftliche Laufbahn an. So fügte er sich dem Wunsch des Institutsleiter und trat in die Partei ein. Die Pflichten eines Parteimitgliedes bestanden nach seinen Ausführungen im wesentlichen darin, zweimal in der Woche an stundenlangen Aufmärschen teilzunehmen. Dieses fand er ziemlich doof. So blieb er immer mal wieder diesen Aufmärschen fern. Eines Tages wurde er von einem Parteifunktionär harsch zur Rede gestellt, warum er so häufig bei den Parteiversammlungen fehle. Was sei denn wohl wichtiger - die Medizin oder die Partei. Mein Vater erwiderte sehr selbstsicher: "die Medizin natürlich!". Daraufhin wurde er aus der Partei ausgeschlossen.

Er hat allerdings davon keine Nachteile gehabt. Nach dem Krieg wurde immer wieder erzählt, dass es lebensbedrohlich sei, wenn man aus der Partei austreten würde. Offensichtlich haben viele Deutsche gar nicht den Mut gehabt, diese Konsequenz zu ziehen. Meinem Vater ist jedenfalls nichts passiert. Seine wissenschaftliche Laufbahn hat er aus anderen Gründen aufgegeben. Der Verdienst war damals so gering, dass ein junger Wissenschaftler auf die Unterstützung der Familie angewiesen war. Als Spross einer armen Postlerfamilie war es schon sehr schwer gewesen, das Studium zu finanzieren. Eine wissenschaftliche Laufbahn noch zu unterstützen, wäre nicht gegangen. Daher hat er freiwillig der Universität den Rücken gekehrt und die Laufbahn eines Chirurgen eingeschlagen.

Impressum                             Zuletzt geändert am 06.01.2011 18:59