Großvater Hans Rohwer: Durch Stahlbeton zu Wohlstand | |
Mein Großvater Hans Rohwer wurde am 31.1.1887 in Nübbel an der Eider etwa 5 km westlich von Rendsburg geboren.
Er war eines von zehn Kindern eines Bauern, der nebenbei auch kleine Boote baute und eine Gastwirtschaft betrieb. Mit 54 Jahren starb der Vater an Magenkrebs.
Als einziger der 1o Geschwister besuchte Hans das Gymnasium in Rendsburg. Wegen politischer Verbindungen wäre er fast von der Schule geflogen. Nach dem Abitur der Herderschule, die nach ihm sein Sohn Klaus, sein Schwiegerson Carl und sein Enkel Jens besuchen sollen, studierte mit einem Darlehen der Sparkasse in Rendsburg an der T.H. in Berlin Bauwesen mit dem Abschluss eines Diplom-Ingenieurs. Seine Geschwister behaupteten später, er habe studieren müssen, weil er für die praktische Arbeit nicht geeignet gewesen wäre. Das Darlehen zahlte er noch lange zurück. Während seines Studiums in Berlin schloss er sich der Burschenschaft Thuringia hier an. Das Bild zeigt im Gesicht zahlreiche Narben, als Folge der Mensuren, die damals mit dem Degen gefochten wurden. Die Wunden wurden von den medizinischen Verbindungsmitgliedern ohne Betäubung genäht. Diese feierten ihre Feste mit den höheren Töchtern der Berliner Gesellschaft. So lernte er Emmi Seeger, die Tochter eines wohlhabenden Direktors der Schultheiß-Patzenhofer Brauerei kennen. Hans und Emmi heirateten 1913. Ein Jahr später brach der Erste Weltkrieg aus. Hans war als Junge vom Pferd gefallen und hatte seinen Ellenbogen gebrochen. Dieser war schief angewachsen. Dadurch durfte er nicht dienen, was damals eine große Schande darstellte. So musste er als nicht gedienter Landsturmmann in den ersten Weltkrieg. (Alle 7 Brüder Rohwer nahmen am Krieg teil und überlebten.) Hans wurde in Rumänien durch einen Kopfschuss schwer verwundet. In dieser Zeit gab es keine Hirnchirurgie. Die offene Schädelverletzung überlebte er nur deshalb, weil er mehrere Tage nicht gefunden wurde und die Wunde bei warmem trockenem Wetter verklebt war. Nach der Verwundung hatte er zunächst große Ausfälle und konnte selbst seine Frau nicht erkennen. Nach und nach kam aber alles wieder und er konnte seinen Beruf als Bauingenieur bis ins hohe Alter ausüben. Von seiner Verwundung hatte Hans an der linken Schläfe eine Narbe, an der der Schädelknochen fehlte. Wenn Hans sich erregte, konnten wir Enkelkinder an dieser Stelle das Gehirn pulsieren sehen. Nach dem Ersten Weltkrieg lebte das Ehepaar zunächst in Berlin. Dort wurden auch ihre beiden Kinder Klaus und Frauke, meine Mutter, geboren. Die wohlhabenden Schwiegereltern Seegers hatte ihr beträchtliches Vermögen Vermögen in Kriegs - Anleihen investiert und alles verloren. Sie besaßen vor dem Krieg 10.000 Goldmark. Im Verhältnis zum damaligen Monatslohn entspricht das etwa dem hundertfachen in Euro. Aus der Zeit in Berlin ist wenig bekannt. 1921 zog die junge Familie nach Rendsburg. Hans hatte eine Anstellung als Dipl. - Ing. in der Düngerfabrik in Rendsburg. Die Schwiegereltern hatten dem jungen Paar eine Koks-Aktie geschenkt. Diese stieg im Wert derartig an, dass Emmi und Hans dafür in Rendsburg ein Haus kaufen konnten. Sie begründeten damit die inzwischen hundertjährige Tradition unserer Familie, Geld in Aktien anzulegen. Während das Geld in der gleichen Zeit dreimal komplett seinen Wert einbüßte, haben die Anteilscheine guter Firmen alle Krisen überstanden. Das Rohwer‘sch Haus lag in Rendsburg in der Wilhelmstraße 13, 3-stöckig, mit Ställen und großem Grundstück. In diesem Haus hat die Familie bis 1934 gewohnt und hier verbrachte meine Mutter Frauke mit ihrem geliebten Bruder Klaus den größten Teil ihrer glücklichen Kindheit. Mutter Emmi war Wohlstand und Kultur gewöhnt, übte Klavier und Gesang, sprach und kochte französisch und war mit der Weltliteratur bestens vertraut. Vater Hans dagegen stammte aus bäuerlichen Verhältnissen und war ein knallharter Naturwissenschaftler, der mit den Bauleuten aber immer gut auskam. Diese gegensätzlichen Naturen stritten oft und fanden keinen Kompromiss. Sprachlich war die schlagfertige Berlinerin dem bedächtigen Dörfler immer überlegen. So kam es zu häufigen Demütigungen, die Hans nur schwer verkraften konnte. 1927 Familie am Strand Im Jahr 1929 wurde Vater Hans arbeitslos und verlor auch noch viel Geld bei einem Arbeitsbeschaffungsprogramm; er versuchte mit Arbeitslosen eine Korbfabrik aufzumachen, aber die Körbe wurden schlecht und unverkäuflich. In den Schulen bekamen Frauke und Klaus 1/2 Freiplätze (man musste ja Schulgeld zahlen!) Großmutter Seeger und Tante Käte unterstützten die Familie regelmäßig. Mutter Emmi knüpfte Teppiche und verkaufte sie. Das Schicksal wendete sich erst, nachdem Hans Stahlbetonbau nach studierte. Diese Technologie war damals völlig neu und wurde beim Bau von Brücken und Hochhäusern dringend gebraucht. Hans war damals einer von drei Ingenieuren in Schleswig-Holstein, die solche Bauten berechnen konnten. Und das sicherte ihm und seiner Familie in den nächsten Jahren einen gediegenen Wohlstand. 1934 bekam Vater Hans eine Anstellung, zuerst beim Deichbau an der Nordsee, später bei der Straßenbauverwaltung in Kiel. Die Familie siedelte 1934 nach Kiel über. Sie wohnten zunächst in der Beseler Allee und kauften dann das Haus im Düsternbrooker Weg 47. Das Elternhaus legte auch Wert auf kulturelle Betätigung. Im Wohnzimmer stand stets ein prächtiger Flügel. Nach dem Abitur absolvierte Klaus seinen Wehrdienst bei der Marine. Frauke wurde medizinisch technische Assistentin. Die nächsten Jahre waren vom 2. Weltkrieg geprägt. Der Bruder wurde nach zweijährigem Wehrdienst gleich einbehalten, und musste in den Krieg ziehen. Frauke arbeitete als medizinisch technische Assistentin in Kriegs - Lazaretten. Klaus wurde nach der Versenkung eines deutschen Zerstörers im Eismeer der nördlichen Ostsee als vermisst gemeldet. Der Krieg verschonte auch das Elternhaus nicht. Zweimal wurde es von Bomben getroffen und brannte. Der Brand konnte jeweils gelöscht werden. Der Hausstand ging jedoch größtenteils verloren. Zusammen mit den Eltern konnte sie jedoch den Düsternbrooker Weg 47 erhalten. 1946 trugen Mutter und Tochter immer noch schwarz, um die Trauer für den verlorenen Sohn und Bruder Klaus anzuzeigen. Umso größer war ihre Freude, als Klaus unerwartet aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurde. Er hatte sich mit etwa 30 Kameraden auf ein Floß gerettet. Nachdem die Kriegsfolgen beseitigt waren, strahlte das Haus im Düsternbrokerweg wieder in seiner alten Schönheit. Durch den Bombenkrieg waren zahlreiche benachbarte Häuser völlig zerstört, so dass jetzt der Blick frei über die Kieler Förde und die Reventlowbrücke streichen konnte. Tochter Frauke heiratete Carl Bahnsen, zog mit ihm nach Legan und hatte mit ihm zwei Kinder Frauke und Jens. Sohn Klaus heiratete Ille Herzog und hatte mit ihm zwei Kinder Marlies und Karin. Hans und Emmi lebten noch viele Jahre im Düsternbrooker Weg. Hans gründete ein Büro für Prüfstatik und konnte bis ins 75. Lebensjahr in diesem Beruf arbeiten. Zwar ließen in den letzten Jahren seine Kräfte nach, aber seine mathematischen Fähigkeiten und die Konzentration reichten aus, um seine berufliche Laufbahn ohne tragischen Irrtum zu beenden. Zumindestens ist keine der Brücken und Gebäude, deren Statik er nachgerechnet hat, bislang eingestürzt. Auch nach dem 75. Lebensjahr blieb er körperlich schlank und fit. Er starb am 22.4.1967 mit 81 Jahren in der Badewanne an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Im Abluftrohr der Gastherme hatte ein Vogel gebrütet, so dass die Abgase ins Badezimmer zurück strömten. Meine Großmutter Emmi bemerkte nur, dass das Wasser immer weiter rauschte und der Großvater keine Antwort gab. Die zu Hilfe geholte Polizei brach dann die Tür auf und konnte Hans nur noch tot bergen. Die typische hellrote Farbe brachte bald den Hinweis auf die Gasvergiftung. |
Text: Jens Bahnsen, Marlis Rohwer-Janes, Frauke Bahnsen (Enkel)
unter Einbeziehung von Texten seiner Tochter Frauke
Falls Ihr etwa über Hans Rohwer wisst und mitteilen wollt, so scheibt bitte an
Jens Bahnsen.
Impressum Zuletzt geändert am 21.02.2022 06:32